«Basel Nazifrei»: Verfahren wird neu aufgerollt!

Die Reform der äusserst repressiven Basler Strafjustiz im Umgang mit linken Aktivist:innen macht Fortschritte. Auch wenn dies gegen den Willen der Justiz selbst geschieht. Das Appellationsgericht, die Beschwerdeinstanz also, hat kürzlich dreizehn Urteile gegen Demonstrant:innen aufgehoben, die 2018 an den sogenannten «Basel Nazifrei»-Protesten teilgenommen hatten. Damals stellten sich Tausende Basler:innen einem Aufmarsch der mittlerweile aufgelösten rechtsradikalen Pnos in den Weg.

Nachdem die Polizei die Demonstrant:innen mit Gummischrot beschossen hatte, um den Rechtsextremen den ruhigen Abzug zu ermöglichen, flogen Steine gegen die Polizei. Über fünfzig Strafverfahren gegen Demonstrant:innen waren die Folge – und extrem harte Urteile des Strafgerichts. Eine Frau wurde wegen blosser Anwesenheit an der Demo zu acht Monaten Gefängnis verurteilt.

Dass diese Verfahren nun neu aufgerollt werden, ist der WOZ zu verdanken, die nach den ersten Urteilen Absprachen zwischen den Richter:innen im Vorfeld der Gerichtsverhandlungen enthüllte. Die Absicht dahinter: einheitlich harte Urteile zu fällen. «Eine verfassungswidrige Voreingenommenheit», kritisierten die Anwält:innen der Angeklagten. Doch erst nach einer Intervention des Bundesgerichts hat das Basler Appellationsgericht nun die Befangenheit der Richter:innen festgestellt.

Rechtsstaatlich besonders bedenklich ist, wie die Richter:innen versuchten, ihren klandestinen Austausch zu vertuschen. Lange behaupteten sie, es habe weder bindende Absprachen noch Beschlüsse gegeben. Das Basler Appellationsgericht glaubte diesen Beteuerungen zunächst uneingeschränkt. Man kennt sich, man schätzt sich im engen Basel. Erst nach der Rüge des Bundesgerichts legten die Richter:innen schliesslich das Protokoll ihres Treffens offen, in dem die heimlich getroffenen Beschlüsse aufgeführt sind. Eine Justiz, die so operiert, beraubt sich ihrer Legitimität.

Schon nächste Woche wird sich zeigen, ob nach den Gerichten ein weiteres Glied des Basler Strafapparats zur Raison gekommen ist, was den Umgang mit Aktivist:innen betrifft. Dann steht die 1.-Mai-Demonstration an – die im letzten Jahr ohne jeden ersichtlichen Anlass von der Polizei eingekesselt wurde. Das darf sich nicht wiederholen. Ende 2023 hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschieden, dass präventive Einkesselungen rechtswidrig sind. Dabei ging es um eine Demonstration in Zürich. Doch auch wenn man das in Basel vermutlich nicht gerne hört: In Basel-Stadt gilt kein Spezialrecht.

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Kommentare

Kommentar von Martin Wüthrich

Mo., 22.04.2024 - 17:25

traurig, das es die woz braucht. stolz, dass es die woz gibt!